Montag, 24. Oktober 2011

Salon with Donna Stonecipher... postponed

Dear friends of the salon,

I am very sorry but the salon with Donna Stonecipher will be postponed to 2012. The salonnière has been super busy, and it’s November, too! Donna told me it’s the Berlin poetry hearings that weekend, so we may see some of you there.
See you next year,
Ina 

Samstag, 1. Oktober 2011

Dienstag, 5. Juli 2011

Wetter- und andere Fühligkeiten

Salon mit Hazel Rosenstrauch am 20. Mai 2011
Vielleicht muss es auch solche Salons geben: die, wo ein falscher Ton im Raum schwingt, wo es klemmt und knirscht, wo es trotz Schwüle nicht richtig warm wird, wo es draußen wittert und räppt und drinnen zähe Spannung steht.
Aus der Dachrinne über dem Fenster tost es. Im Flur schichten sich Regenjacken, Schirme, Stiefel; in der Küche wird aufgetan, geschnitten, gewaschen. Der Salon ist schon voll, und doch warten wir noch auf eine Gruppe Verregneter.
Zuerst liest Hazel Rosenstrauch aus ihrem Essaybändchen JUDEN NARREN DEUTSCHE (dessen Titel vor allem gesprochen seinen Witz entfaltet). Sie beginnt mit ihrer „Achse des Guten“, einem dichten, komplexen Text, liest über den – möglicherweise vererbbaren – Botenstoff „Emigrans“, über „Erinnern und Erinnertwerden“ und, auf meinen ausdrücklichen Wunsch, „Notizen für einen Businessplan“, wo sie sich ausmalt, sozusagen als Jüdin vom Dienst ihr Geld zu verdienen. Solche Querdenkereien und „Der-hat-ja-gar-nichts-an“-Rufe machen das Buch pikant-provokant. Es ist zum aufmerken, nachdenken, sich wundern, eventuell verstören: wenn sie sich vorstellt, dass Juden aus Flüchtlingslagern an den Grenzen auf Deutschland Raketen abschießen oder fragt, warum eigentlich bei uns heute die aus anderen Ländern geflüchteten Ärzte, Wissenschafter, Intellektuellen keine besondere Förderung und Aufnahme erfahren. Und wenn sie immer wieder hineinpiekst in unsere ritualisierte Erinnerungsblase. Doch Hazel Rosenstrauchs Credo scheint mir dieses zu sein:
Ich wäre gern Mörtel, verknüpfe und hüpfe, wo immer möglich, zwischen Ressorts und Boxen, eher Nestflüchter als Nesthocker. Mittlerweile bezeichne ich diese gelegentlich sehr lästige Begabung, den Sprachspielregeln angepasst, als „postmoderne Schnittstellenpersönlich- keit“. Früher war es typisch jüdisch.
Nach der Pause geht es weiter mit Wahlverwandt und ebenbürtig. Caroline und Wilhelm von Humboldt, einer Doppelbiografie des Paares oder einer Biografie ihrer lebenslangen Beziehung und Ehe. Sie liest das Kapitel über die Reise durch Spanien, das damals noch sehr wild gewesen sein muss und wo sich Caroline wieder einmal als emanzipiert und selbstbewusst erweist. Und Wilhelm hatte ja schon bei vorherigen Reisen konstatiert, dass er im Ausland deutscher wird, wie ja die Deutschen überhaupt „tiefer, empfindsamer, tugendhafter, den hohen Idealen näher sind“ als z.B. die Franzosen, (was mir übrigens auch heute noch sehr bekannt vorkommt). Humboldt, als Politiker und Bildungsreformer – trotz kurzer Einsatzzeit – bekannt und verehrt, schreibt auch für „potentielle Mitleser: Zensoren, Historiker“ und also auch für uns, die Nachwelt.
Wie viele Figuren jener Epoche, so die Varnhagens (über ihn hat H.R. auch ein Buch verfasst), traten sie weniger als Schöpfer von Kunst und Literatur hervor und waren doch unentbehrlich als Vermittler und Netzwerker, als eine Art „Mörtel“: Caroline als Salonnière und Kunstmäzenin, Wilhelm auch als Sprachforscher und Übersetzer (u.a. des Agamemnon von Aeschylos), und beide als Briefeschreiber.
In ihren Briefen an einander beschreiben sie immer wieder die Bedeutung des Gegenübers, des „Du“, das für die Verfassung des eigenen Ich und seiner Gedanken Resonanzraum und Folie bietet. In der Biografie präsent ist aber auch das starke Ich der Verfasserin, das anders als in „allwissenden“ Biografien interpretiert, mutmaßt, feststellt, bewertet, und somit eine zeitgemäße und lebendige Lesart dieser Leben anbietet.
Über das Buch Aus Nachbarn wurden Juden. Ausgrenzung und Selbstbehauptung 1933-1942 sprachen wir an dem Abend nicht, aber ich will es erwähnen. Das Buch stellt sich gegen die Leichenberge, gegen Hass und Tremolo in der Stimme, gegen gut gemeinte Klischees. Es erläutert mit Fotos (von Abraham Pisarek) und Zeitzeugeninterviews, das man sich nicht hat „wie Lämmer zur Schlachtbank führen lassen“, sondern vor Ort sozial aktiv wurde und sich intensiv um Ausreise bemühte. Sie warnt uns davor, Kategorisierungen einfach zu übernehmen: „Kein Philosoph hat die Frage endgültig beantwortet, was ein Jude sei, nur die Verfolger hatten die Antwort, wussten auch noch genau, was ‚viertel- oder achteljüdisch’ und was ‚rein deutsch’ sei.“ Wieder einmal geht es darum, eingeschliffene Bilder und Urteile zurechtzurücken, eine neue Sprache zu finden.
Von den vielen Gästen gingen die ersten in der Pause und weitere in einer Umblätterpause im zweiten Teil. Die Diskussion war verhalten. Der Abend war rasch zu Ende; ich habe alles aufgeräumt und abgewaschen und war enttäuscht zu gesunder Zeit im Bett.
Ich wünsche mir für den Salon, dass er auch in Zukunft ein Ort für Unbequemes und Unorthodoxes sein kann. Und: Dass die Gäste kommen und bleiben, um an dem Gesamtkunstwerk Salon zu dem sie gehören teilzuhaben und es entstehen zu sehen.
P.S. Darauf die Autorin in einer E-Mail: Aber enttäuscht sein sollten sie nicht, man kann keine Hazel Rosenstrauch einladen, ohne daß es manchen Leuten nicht paßt.

Dienstag, 3. Mai 2011

Einladung zum Salon am 20. Mai 2011 mit Hazel Rosenstrauch

„Ist Rosenstrauch ein jüdischer Name?“
So beginnen sensibilisierte junge Deutsche manchmal ihre vorsichtigen Gespräche mit Hazel Rosenstrauch (*1945). In ihrem jüngsten Essayband Juden Narren Deutsche (persona verlag 2010) berichtet sie schonungslos erfrischend von solchen und anderen Vergangenheitsbewältigungsritualen in unserem Land.
Sie ist eine kluge Kennerin der Berliner und der deutschen Ideengeschichte um 1800 und hat u.a. über Karl Varnhagen von Ense geschrieben. Ihre Biographie einer Beziehung Wahlverwandt und ebenbürtig. Caroline und Wilhelm von Humboldt (Eichborn 2009) ist von der Kritik hoch gelobt worden. Als Mitbegründerin war sie fast zehn Jahre lang Redakteurin der Zeitschrift Gegenworte. Hefte für den Disput über Wissen bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.
Am Freitag den 20. Mai 2011 um 20 Uhr liest Hazel Rosenstrauch im Salon.
Juden, Narren, Deutsche und auch alle anderen sind herzlich eingeladen.
Bitte beachten: Der Salon ist nicht kommerziell und nicht öffentlich. Ich bitte um vorherige Anmeldungen oder Absichtsbekundungen und ggf. kurzfristige Absagen, damit ich besser planen kann (Stühle, Warten wir noch? usw.). Rechtzeitiges Erscheinen sichert gute Plätze und allen einen ungestörten Salon. Getränke, tellerfreies Essen, Blumen sind wie immer willkommen.
Zum Salon gehört eine Katze: Allergiker bitte Vorkehrungen treffen!
Ich freue mich auf Euch.
Viele Grüße
Ina Pfitzner

Dienstag, 8. März 2011

Kurze Nachlese

Karneval der Literaturen am 5. März 2011


Wir sahen Fotos aus Nizza, Venedig, Teneriffa, Rio, New Orleans, Aruba.
Wir lasen Texte über den Karneval in Rom, über Mardi Gras und Purim in New Orleans, über Karneval und die Polen in Argentinien, ein Gedicht zum Karneval in Düsseldorf und einen Brief aus der Studentenrevolution in Jugoslawien 1996.
Eingeladen hatten die "Feuchtgebiete".
Die Preise gingen an einen Piraten, eine indianisch-cowboyische Völkerverständigung und Dr. ex. zu Guttenberg. Verliehen wurde erstmals auch der Preis für den besten Karnevalsmuffel--in diesem Falle eine Spezialgästin, die praktisch am nächsten Tag nach Brasilien zurückkehrte, wo man noch viel besser karnevalsmuffeln kann als hier.

Der nächste Karneval der Literaturen ist am 18. Februar 2012.
Bis dahin: Lebt! Und lest! Und überlegt Euch ein Kostüm!

Karneval der Literaturen 5. März 2011








Dienstag, 22. Februar 2011

Einladung zum Salon am 5. März 2011 - Karneval

Helau, liebe Salonfreunde!
Hallo, liebe Karnevalsmuffel!
Für den jüdischen Autor Rodger Kamenetz, der in New Orleans lebt, ist Karneval ein katholisches Purimfest: „Bei Purim wie auch bei Mardi Gras geht es um die Maskerade, beide feiern das Welt-auf-den-Kopf-stellen, beide fördern das Betrunkensein: Die beiden Feste sind in vielerlei Hinsicht seelenverwandt.“
Dazu mehr beim
Karneval der Literaturen am 5. März 2011 um 20 Uhr,
zu dem ich auch in diesem Jahr wieder einlade.
Eingeladen sind vor allem auch Karnevalsmuffel, die unbedingt demonstrativ und ostentativ als solche erscheinen sollen. Der/die beste Karnevalsmuffel/ine wird prämiert!
Also: Kommt! Wenn’s geht: Kommt mit Kostüm! Noch besser: Kommt im literarischen Kostüm im weitesten Sinne! Kommt als literarische Figuren oder Buchtitel, als Dichter, Schriftsteller, Autoren oder Kritiker, als Genres oder Formen! Kommt also als Anne Rice oder Thilo Sarrazin, als Ghostwriter oder als Plagiat, als Mackie Messer oder Der Sandmann, als Blechtrommeln oder Madeleines, als Haikus oder dicke Wälzer, als „Hundert Jahre Einsamkeit“ oder als „Das Parfüm“, als Anna Karenina oder Faust, als Jean-Paul Sartre oder Toni Morrison, als Sonett oder als Encyclopédie, als rasender Reporter, als Was ihr wollt oder Wie es euch gefällt. Und falls das alles zu schwierig ist, dann kommt irgendwie vage verkleidet und denkt Euch einen tollen Titel dafür aus. Das beste Kostüm wird wieder, völlig subjektiv, prämiert. Dann hören wir wieder Musik und/oder tanzen.
Bitte gebt mir Bescheid, ob Ihr kommt und ob Ihr einen Büttentext oder Musik beisteuert. Getränke, tellerfreies Essen, Blumen wie immer erwünscht.
Ich freue mich auf Euch.
Salut Ina

Donnerstag, 13. Januar 2011

Nachlese


Salon mit Christian Halbrock am 4. Dezember 2011
„Wir wollen uns die DDR auch mal von außen ansehen“ hieß es im Herbst 1989 auf einem Plakat, das mir aus dem Herzen sprach. Es war bei einer Montagsdemo in Dresden oder bei der ganztätigen Alex-Kundgebung am 4. November 1989, die ich mir im Fernsehen angeschaut habe. Damals ging es nämlich noch um eine bessere DDR und um die Reisepässe, die wir bald bekommen sollten.
Seitdem haben wir uns die DDR, die Bundesrepublik und Europa öfter und länger von außen ansehen können, vieles vergessen und durch neue Eindrücke ersetzt. Manche leben immer noch irgendwie in ihrer kleinen DDR, jetzt mit Westauto. Manche sind nach Westdeutschland gezogen und dort heimisch geworden, manche aber auch nicht. Und andere schauen sich die DDR von Berufs wegen von außen bzw. im Rückblick an. Christian Halbrock ist einer von ihnen. Er ist Historiker und arbeitet derzeit bei der Birthler-Behörde.
Im Salon erzählt er uns zunächst von seiner neuesten Arbeit für den Band „Unerkannt durch Freundesland. Illegale Reisen durch das Sowjetreich“ im Lukas-Verlag, der im Ergebnis einer Ausstellung zum gleichen Thema erscheint. Darin kommen Abenteurer aus der DDR zu Wort, die auf eigene Faust durch die riesige, wilde UdSSR gereist sind, und Christian hat dazu die Aktenlage gesichtet und aufgearbeitet. In die Sowjetunion konnte man ja eigentlich nur auf Einladung reisen, aber einige haben die bei der Polizei eingeholte Erlaubnis zur dreitägigen Transitreise nach Rumänien oder Bulgarien für diesen Zweck etwas ausgedehnt. Das ist zum Teil recht amüsant, wenn etwa ein unverfrorener Reisender seinem Stasi-Führungsoffizier eine Postkarte vom Baikalsee schickt oder ein anderer die sowjetischen Behörden, die ihn festnehmen, mit Schwärmereien über den Kaukasus so verwirrt und entnervt, dass sie ihn laufen lassen. Christian erzählt lieber, als er liest, und das Publikum ergänzt mit eigenen Erfahrungen, Beobachtungen und Überlegungen, so dass die Lesung eher zu einem lebendigen Gespräch wird.
Im zweiten Teil geht es um „Weggesprengt. Die Versöhnungskirche im Todesstreifen der Berliner Mauer 1961-1985, eine detaillierte Schilderung des Schicksals dieser unspektakulären und von vielen im Stich gelassenen Kirche. Es entfaltet sich eine unerwartet spannende Geschichte von Mächtespielen in Ost und West, über den relativen Spielraum der Kirchen in der DDR, darüber, wie auch Einzelpersonen ihre Ämter prägten, wie kreativ und spielerisch Opposition sein konnte. So wurde der Abriss der Versöhnungskirche erst durch die zusammenwirkende Konformität vieler einzelner möglich. Die Geschichte ihrer allmählichen Verurteilung und Verdammung lässt den Leser mit der Kirche mitbangen, schutzlos und verlassen im Niemandsland, wie sie war, und setzt ihr ein kleines Denkmal.
Eigentlich entstand diese Arbeit im Auftrag der Gedenkstätte Berliner Mauer, die sie dann wegen ungenehmer Ergebnisse nicht veröffentlichen wollte, so dass sie 2008 als Sonderheft der Zeitschrift Horch und Guck. Zeitschrift zur kritischen Aufarbeitung der SED-Diktatur erschien. Dazu schreibt Christian im Vorwort: „Manch gedenkpolitischer Akteur und auch manch Zeitzeuge wird an der einen oder anderen Formulierung Anstoß nehmen. Und vielleicht wird er sich auch an Wertungen stören. Wertungen und Auseinandersetzung sind aber durchaus gewollt, denn sie gehören zu lebendiger politischer Bildung.“
Auch in der DDR hat Christian Halbrock es sich nicht leicht gemacht und man hat es ihm nicht leicht gemacht. 1963 geboren, war er unter anderem Mitbegründer der Umweltbibliothek. Seine Zeit im Prenzlauer Berg hat er in dem Aufsatz „Vom Widerstand zum Umbruch: die oppositionelle Szene in den 80er Jahren“ in Prenzlauer Berg im Wandel der Geschichte. Leben rund um den Helmholtzplatz (2004) resümiert. In den neunziger Jahren studierte er Geschichte und Ethnologie und promovierte 2004 zum Thema Evangelische Pfarrer der Kirche Berlin-Brandenburg 1945 - 1961. Amtsautonomie im vormundschaftlichen Staat? Im Ergebnis seiner Arbeit mit dem Bürgerkomitee Normannenstraße entstand Mielkes Revier: Stadtraum und Alltag rund um die MfS-Zentrale in Berlin-Lichtenberg (2010). Wie auch im Fall der Versöhnungskirche oder im Prenzlauer Berg manifestiert sich Geschichte hier vor allem auch in der Stadt, in der die Menschen ihren Alltag (er)leben.
Seine im Vergleich wenig polemische Darstellung von Geschichte erklärt Christian aus seinem eher technischen Temperament (Ausbildung im VEB Schiffselektronik Rostock). Doch ich bin mir da nicht so sicher. All zu oft scheint mir die Beschäftigung mit der DDR politisch motiviert, eine persönliche Abrechnung oder der Wunsch, vorgefertigte Meinungen bestätigt zu finden, oder eine Bestätigung der Folgerichtigkeit des bestehenden Systems.
Aufklärungsarbeit gilt es immer noch zu leisten, so lange z.B. eine große britische Zeitung schreibt, dass in der DDR „rote“ Weihnachten mit einem roten Stern und Agitprop-Gedichten von Erich Weinert gefeiert wurden. Es ließe sich noch so einiges erforschen: Wie man sich auch ohne Westklamotten individuell kleidete, wie man sich im Selbermachen (Wein, Stricken, Nähen, Fahrrad reparieren usw.) ausprobierte, wie und was man las, wie bürgerlich und spießig die DDR auch war. Oder aber auch was diese gewisse Wärme war, die wir empfanden und die uns heute manchmal fehlt. Christian Halbrocks Arbeit mit bestechenden, unbestechlichen Fakten aus Akten zeigt, wie man DDR-Geschichte auch schreiben kann: klug und sachlich und als „fröhliche Wissenschaft“, wie ein Besucher im Gästebuch schreibt.