Dienstag, 27. Juli 2010

Das Wilde Fest 22. Mai 2010

Nachlese

Die Wilde Party

20 Uhr, es ist Zeit:
Gläser und Getränke stehen bereit,
die Stühle im Kreis,
die Häppchen sind auch endlich heiß;
einige kommen schön früh,
und ich hab schon eine Laufmasche am Knie!
Wir trinken eine Flasche Crémant,
blättern und warten,
blättern und warten,
und dann fangen wir an.
Ich begrüße kurz und dann
gehen wir alle erst einmal nach nebenan
in den Musiksalon zu Nachbars next door.
Dort stelle ich die Sängerin vor:
Trautlind Klara Schärr,
Multitalent mit Manager
Hasso, aus Bremen angerauscht.
Unaufgebauscht
singt sie und spielt Klavier:
„Georgia on My Mind“, den Jazzklassiker,
dann Mischa Spoliansky--
„Ich bin ein Vamp!
Ich bin ein Vamp, ich bin halb vertiert!
Ich saug` die Männer an und aus!
Ich mache Fricassee daraus!“
Dann noch Friedrich Hollaenders "Die Kleptomanin";
Fragen?
Jösa kennt Spoliansky, fachsimpelt: Natürlich!
denke ich unwillkürlich.

Dann gehen wir zurück in mein Boudoir;
die englische Queenie ist jetzt da.
Tom kommt noch.
Wir lesen los:
„Queenie was a blonde, and her age stood still,
And she danced twice a day in vaudeville.“
Also erst English
und dann... –ist das pingelig?
„Queenie war blond, ohne Alter so eine:
Schmiß zweimal pro Tag beim Vaudeville die Beine.“
Protest!
Müssen wir wirklich? Wir müssen.
So ist nun mal das Wilde Fest,
erst Englisch, dann German,
nicht nur die Übersetzer wollen das hören.

Das Personal:
Queenie (Donna) mit cool brodelndem Westküstenkharma,
Burrs (Richard)--pures britisches Drama,
Queenie auf Deutsch (ich—nun doch nicht blond),
wieder Burrs (Jösa) zwischen Gutenachtgeschichte und Gosse.
Die Kates (Isabel, Christina) New-York/Berlin
mit den Queenies im Clinch,
ihr Geliebter Black auf Englisch (Steph)—was für ein Galan
und auf Deutsch (Sven)—dass man sich hüte!--
ein Verführer erster Güte.
Es tritt Dolores (Laetitia) auf den Plan,
sonor und seidig glatt
wie Mousse au Chocolat.
Madeleine (Silke) mit kurzem Rock,
Jackie (Olaf), einer der gern zockt,
den starken Eddie und die zarten Armano-Brüder
gibt Thomas für uns wieder.
Mae und Nadine (Yael) mit feschem Akzent
und für alles Übrige, was so brennt,
auf Schottisch Tom, auf Englisch Jo,
und Arn auf Deutsch, sowieso.

The gang was there when midnight came
the studio was lit by candle flame

Die Kerzen zuckten; so ging es jetzt rund;
Die Schatten hielten sich im Hintergrund.

Dann ist Schluss.
Wir essen und trinken,
versinken
so im Nachklang,
ein wildes Fest kommt nicht in Gang,
na ja, muss
ja nicht.

Dann klingelt’s.
8 junge Menschen stehen vor der Tür
Wo ist denn jetzt der Salon?
Sie sehen sich kurz um,
wir reden im Treppenhaus
über Salons heute und früher.
Dann ruft’s von eins tiefer:
„Ej, die Party ist hier!“
Und so schwärmen sie wieder aus.

Wilder wurd’s nun auch nicht mehr,
höchstens ein wenig controvers
manche mochten den Text,
einer sagte: Also, für mich ist das nur
heterosex-
uelle Nischenliteratur!

Fair enough, doch was haben wir gelacht!
Jetzt aber: Gute Nacht!

Fazit: Die wilde Party hat dann ja doch nicht mehr in der Realität stattgefunden, aber das zweisprachige Lesen war klasse! Olaf

Und so erklärt es Art Spiegelman im Vorwort „Intoxicating Rhythm”:
March’s “lost” generation saw civilization unglued by The War to End all Wars. Our “foundering” generation has recently seen the End of History. His generation swilled bathtub gin and had a wild party. Our generation gulps Prozac—or gets lost in used bookstores—while waiting for the cops to rush in.

„Berauschende Rhythmen“:
Im Großen Krieg, der das Ende aller Kriege hatte sein sollen, sah Marchs „verlorene“ Generation die Zivilisation außer Rand und Band. Unsere „scheiternde“ Generation hat vor kurzem das Ende der Geschichte erlebt. Seine Generation soff Fusel und feierte wilde Partys. Unsere Generation schluckt Prozac—oder treibt sich in Antiquariaten rum--und wartet, dass die Polizei reingestürzt kommt.

Die kam aber gar nicht!